Hauptinhalt

Vorsorgeausgleich bei Scheidung

Inhalt

 

Rechtsprechung on chronologischer Reihenfolge

BVG-Mitteilungen 147 vom 19.04.2018 und Nr. 143 vom 15.11.2016

Orientierungstafeln

Pdf-Datei

Rechtsprechung in chronologischer Reihenfolge

Keine Anerkennung von im Ausland ergangene Urteile über den Vorsorgeausgleich

Urteil 9C_302/2020 vom 15.04.2021 E. 4.1 (Volltext): Zeitlicher Anwendungsberich des neuen Rechts  

 

 Am 1. Januar 2017 sind die revidierten Bestimmungen zum Vorsorgeausgleich bei Scheidung in Kraft getreten. Gemäss dem neuen Art. 64 Abs. 1bis Satz 1 IPRG sind für den Ausgleich von Vorsorgeansprüchen gegenüber einer schweizerischen Einrichtung der beruflichen Vorsorge die schweizerischen Gerichte ausschliesslich zuständig. Deshalb können im Ausland ergangene Urteile über den Ausgleich schweizerischer Vorsorgeansprüche nicht mehr anerkannt werden (BGE 145 III 109 E. 4.3 S. 111 f. mit weiteren Hinweisen). Das vorliegend zu beurteilende deutsche Scheidungsurteil ist am 20. Mai 2014 und damit noch vor Inkrafttreten der Revision zum Vorsorgeausgleich ergangen, weshalb Art. 64 Abs. 1bis IPRG rechtsprechungsgemäss nicht anwendbar ist; vielmehr erfolgt die Anerkennung und Vollstreckung dieses Entscheides in Anwendung der bis Ende 2016 geltenden Vorschriften (BGE 145 III 109 E. 5.9 S. 119).  

Vorsorgeausgleich bei Ehescheidung; Bestimmung der zu teilenden Austrittsleistung

BGE 146 V 95 vom 23.03.2020 (Volltext)

 

Für die Anwendbarkeit von Art. 124 ZGB ist entscheidend, ob vor Einleitung des Scheidungsverfahrens ein Anspruch auf eine Invalidenrente aus beruflicher Vorsorge entstanden resp. der Vorsorgefall Invalidität eingetreten ist. Dass (noch) keine Rente bezogen wird, schliesst die Anwendung von Art. 124 ZGB nicht aus (E. 4.4).

Einreichung des Scheidungsbegehrens als Stichtag für laufende Scheidungsverfahren

Urteil 5A_819/2017 vom 20.03.2018 (Volltext): Vorsorgeausgleich

 

Auch bei Scheidungsverfahren, die vor Inkrafttreten der Revision des Vorsorgeausgleichs eingeleitet wurden und beim Inkrafttreten vor einer kantonalen Gerichtsbehörde rechtshängig waren, gilt die Einreichung des Scheidungsbegehrens als Stichtag für den Vorsorgeausgleich. 

 

BVG-Mitteilungen Nr. 151 vom 16.11.2018, Rz. 1026: Rechtsprechung

BVG-Mitteilungen Nr. 147 vom 19.04.2018 und Nr. 143 vom 15.11.2016

Fragen und Antworten zum Vorsorgeausgleich bei Scheidung

BVG-Mitteilungen Nr. 147 vom 19.04.2018, Rz. 985: Stellungnahme

 

Antworten zu folgenden Fragen:

  • Ist ein Wiedereinkauf in eine Freizügigkeitseinrichtung zulässig, wenn die Austrittleistung zum Zwecke des Vorsorgeausgleichs aus dieser Freizügigkeitseinrichtung entnommen wurde?
  • Besteht eine Möglichkeit, bei einem ausgleichsverpflichteten Rentenbezüger eine Rentenkürzung zu vermeiden?
  • Darf eine Austrittsleistung, die im Rahmen des Vorsorgeausgleichs übertragen wird, an eine im Ausland wohnhafte Person bar ausgezahlt werden?
  • Darf eine schweizerische Vorsorgeeinrichtung einem ausländischen Scheidungsgericht Auskunft über die Austrittsleistung einer versicherten Person geben?
  • Unterscheidet sich der Gesamtbetrag der Renten, die eine Vorsorgeeinrichtung nach einer Renten-teilung gemäss Artikel 124a ZGB jährlich an die beiden Ex-Gatten auszahlt, von der bisher ausgezahlten Altersrente?

Allgemeines

BVG-Mitteilungen Nr. 143 vom 15.11.2016, Rz. 952: Stellungnahme

 

Am 1. Januar 2017 treten die revidierten Bestimmungen zum Vorsorgeausgleich sowie die dazugehörigen Verordnungen in Kraft (vgl. Mitteilungen über die berufliche Vorsorge Nr. 142 Rz 937). Im Folgenden werden ausgewählte Fragen zur Neuregelung erörtert, die dem BSV bis Ende September dieses Jahres unterbreitet wurden. Es ist gut möglich, dass wir zu einem späteren Zeitpunkt eine weitere Serie von Fragen veröffentlichen. Fragen, die bereits in der Botschaft und in den Erläuterungen zu den Verordnungsbestimmungen diskutiert wurden, werden an dieser Stelle nicht wiederholt. Da während der parlamentarischen Diskussion nur wenige Änderungen am Vorschlag des Bundesrates gemacht wurden, die zudem nicht materielle Vorsorgefragen betrafen, sind die Ausführungen in der Botschaft besonders aussagekräftig. Am Ende der Stellungnahme finden sich Orientierungstafeln zum Vorsorgeausgleich in den drei Grundsituationen Scheidung vor dem Vorsorgefall, Scheidung bei Bezug einer Invalidenrente vor dem Rentenalter sowie Scheidung bei Bezug einer Altersrente oder Invalidenrente im Rentenalter.

Welche Aufgaben haben die Vorsorgeeinrichtungen im Zusammenhang mit der Scheidung?

BVG-Mitteilungen Nr. 143 vom 15.11.2016, Rz. 952: Stellungnahme

 

Infolge einer Scheidung können bei den Einrichtungen der beruflichen Vorsorge insbesondere die folgenden Aufgaben anfallen:

  • Festhalten der Austrittsleistung im Zeitpunkt der Heirat bzw. Eintragung der Partnerschaft
  • jährliche Meldung aller Personen, für die im Dezember des Vorjahres ein Guthaben geführt wurde, an die Zentralstelle 2. Säule
  • Prüfung des schriftlichen Einverständnisses des Ehegatten bei sämtlichen Bar- und Kapitalauszahlungen
  • Erhalt des Verhältnisses zwischen obligatorischem und überobligatorischem Guthaben bei Vorsorgeausgleich, WEF-Vorbezug und Wiedereinkauf
  • Informationen an Versicherte und Gerichte auf Anfrage
  • Abgabe der Durchführbarkeitserklärung
  • Übertragung bzw. Aufnahme von zugesprochenen Austrittsleistungen
  • Umrechnung und Übertragung bzw. Aufnahme von zugesprochenen Rentenanteilen
  • Anpassung der Invalidenrenten nach Übertragung der hypothetischen Austrittsleistung

Festhalten der Austrittsleistung im Zeitpunkt der Heirat bzw. der Eintragung der eingetragenen Partnerschaft

BVG-Mitteilungen Nr. 143 vom 15.11.2016, Rz. 952: Stellungnahme

 

Wie bisher müssen die Einrichtungen der beruflichen Vorsorge die Höhe der gesamten Austrittsleistung bei Heirat festhalten. Der BVG-Anteil daran muss nicht festgehalten und an eine allfällige neue Vorsorge- oder Freizügigkeitseinrichtung weitergeleitet werden.

Informationen an Versicherte und Gerichte auf Anfrage

BVG-Mitteilungen Nr. 143 vom 15.11.2016, Rz. 952: Stellungnahme

 

Die Vorsorge- und Freizügigkeitseinrichtungen haben im Hinblick auf eine Scheidung den Versicherten oder dem Gericht die für die Durchführung des Vorsorgeausgleichs notwendigen Auskünfte zu geben. Grundsätzlich sind nur der Versicherte selbst oder das Gericht informationsberechtigt. Anderen Personen, wie dem Ehegatten oder dessen anwaltlicher Vertretung, darf die Einrichtung nur Auskünfte erteilen, wenn eine entsprechende Vollmacht des Versicherten vorliegt. Ein ausländisches Gericht kann nur mit dem Einverständnis des Versicherten direkt Informationen zum Versicherten bei der Vorsorgeeinrichtung einholen. Liegt ein solches Einverständnis nicht vor, muss es um Rechtshilfe ersuchen.

 

Bei der Erarbeitung der Verordnungen wurde von verschiedenen Seiten der Wunsch geäussert, dass das BSV ein Muster-Formular für die Abfrage der Informationen bei den Einrichtungen der beruflichen Vorsorge zur Verfügung stellt. Das BSV ist dabei ein solches Formular zu erarbeiten. Das Amt wird in den Mitteilungen informieren, sobald es auf der Internetseite aufgeschaltet ist. Es besteht keine Pflicht, dieses zu verwenden. Die Verwendung des Formulars würde allerdings der Vereinheitlichung und dadurch der Nachvollziehbarkeit dienen.

Durchführbarkeitserklärung

BVG-Mitteilungen Nr. 143 vom 15.11.2016, Rz. 952: Stellungnahme

 

In Bezug auf die Durchführbarkeitserklärung bringt die Revision keine Änderungen mit sich. Wie bisher müssen die Vorsorge- und Freizügigkeitseinrichtungen bestätigen, dass die vorgesehene Regelung zum Vorsorgeausgleich durchführbar ist. Wir möchten an dieser Stelle daran erinnern, dass mit der Durchführbarkeitserklärung nicht einfach ein Betrag bestätigt wird. Der Einrichtung muss die gesamte Regelung unterbreitet werden und die Einrichtung bestätigt mit der Durchführbarkeitserklärung, dass sie diese wie unterbreitet durchführen kann und darf. Bestätigt werden muss also neben der Höhe des Betrages auch der Vollzug des Vorsorgeausgleichs. So dürfte beispielsweise eine Regelung, welche die direkte Auszahlung eines zugesprochenen Rentenanteils an einen 40-jährigen Ausgleichsberechtigten vorsieht, nicht als durchführbar bestätigt werden, weil die direkte Auszahlung erst ab Vollendung des 58. Altersjahres (oder bei Bezug einer ganzen Invalidenrente) verlangt werden kann.

Wie muss ein ausgleichsberechtigter Ehegatte vorgehen, der die bei der Scheidung zugesprochene Austrittsleistung von der Auffangeinrichtung in Form einer Rente beziehen will?

BVG-Mitteilungen Nr. 143 vom 15.11.2016, Rz. 952: Stellungnahme

 

Die Auffangeinrichtung muss nur Vorsorgegelder, die infolge eines Vorsorgeausgleichs zugesprochen wurden, in Form einer Rente ausrichten. Wer eine solche Rente beantragt, muss nachweisen können, dass die Vorsorgegelder aus einem Vorsorgeausgleich stammen. Der Nachweis ist am einfachsten zu erbringen, wenn die Gelder direkt an die Auffangeinrichtung und nicht zuerst auf eine andere Freizügigkeitseinrichtung übertragen werden. Auf keinen Fall sollte man die Gelder aus dem Vorsorgeausgleich auf dem gleichen Freizügigkeitskonto mit anderen Austrittsleistungen vermischen, wenn man sie später als Rente beziehen möchte.

Wie wird der Kapitalabfluss durch den WEF-Vorbezug und der Zinsverlust anteilsmässig dem ehelichen- und vorehelichen Vorsorgeguthaben belastet?

BVG-Mitteilungen Nr. 143 vom 15.11.2016, Rz. 952: Stellungnahme

 

Neu hält das Gesetz in Art. 22a Abs. 3 FZG fest, dass der Kapitalabfluss durch einen während der Ehe getätigten WEF-Vorbezug sowie der entsprechende Zinsverlust anteilsmässig dem vor der Eheschliessung und dem danach bis zum Bezug geäufneten Vorsorgeguthaben belastet werden muss. Damit bei einer späteren Scheidung diese anteilsmässige Belastung vorgenommen werden kann, muss die Vorsorgeeinrichtung neu den Zeitpunkt des Vorbezugs sowie die Höhe der bis zu diesem Zeitpunkt erworbenen Freizügigkeitsleistung festhalten (Art. 11a WEFV). Bei einem Austritt müssen diese Informationen der neuen Vorsorge- oder Freizügigkeitseinrichtung mitgeteilt, im Fall der Scheidung dem Versicherten oder dem Gericht auf Verlangen bekannt gegeben werden.

Wiedereinkauf nach Übertragung einer hypothetischen Austrittsleistung

BVG-Mitteilungen Nr. 143 vom 15.11.2016, Rz. 952: Stellungnahme

 

Für den Fall, dass beim Vorsorgeausgleich ein Teil der hypothetischen Austrittsleistung auf die Vorsorge des anderen Gatten übertragen wurde, sieht das Gesetz im Gegensatz zur Situation, wo ein Teil der effektiven Austrittsleistung zu übertragen ist, kein Anspruch auf Wiedereinkauf vor. Es ist aus Sicht des BSV aber zulässig, dass eine Vorsorgeeinrichtung einen solchen Anspruch auf Wiedereinkauf im Reglement vorsieht. Es empfiehlt sich bei einem solchen Wiedereinkauf allerdings, dass sich die versicherte Person bei der zuständigen Steuerbehörde über die steuerliche Abzugsfähigkeit eines solchen Wiedereinkaufs erkundigt.

Übertragung von freiem Vermögen in die Vorsorge des berechtigten Ehegatten

BVG-Mitteilungen Nr. 143 vom 15.11.2016, Rz. 952: Stellungnahme

 

(Art. 22f Abs. 3 FZG)

 

Das Scheidungsurteil kann vorsehen, dass dem berechtigten Gatten eine angemessene Entschädigung aus dem freien Vermögen des Verpflichteten auf die Vorsorge- oder eine Freizügigkeitseinrichtung zu übertragen ist. In diesem Fall stellt die Vorsorge- oder Freizügigkeitseinrichtung die Bestätigung über die Einzahlung der Entschädigung dem verpflichteten Gatten zu, so dass er den steuerlichen Abzug tätigen kann.

Orientierungstafeln

Fall A: Vorgehen bei Vorsorgeausgleich durch Zusprechung einer Austrittsleistung (Art. 123 ZGB)

Fall B: Vorgehen bei Zusprechung einer hypothetischen Austrittleistung (Art. 124 ZGB)

Fall C1: Vorgehen bei Zusprechung eines Rentenanteils (Art. 124a ZGB); Normalfall: Ohne Überentschädigungskürzung

Fall C2: Vorgehen bei Zusprechung eines Rentenanteils (Art. 124a ZGB); Sonderfall: Bei Überentschädigungskürzung